Samenfest oder Hybrid? Eine gärtnerische Entscheidung für oder gegen Vielfalt und Esskultur

Samenfest oder Hybrid? Eine gärtnerische Entscheidung für oder gegen Vielfalt und Esskultur

Dienstag 1. Februar 2022

Viele Baumärkte, Gartencenter und Supermärkte bieten in den ersten Monaten des Jahres ihr Saatgut in bunten Tüten mit Fotos von perfekten Tomaten, Möhren und Zwiebeln an. Auf einem Großteil der Samentütchen ist die Sortenbezeichnung um den Hinweis „F1 Hybrid“ ergänzt. Da liest man auch, dass diese Sorten ertragreicher und resistenter gegen Schädlinge sind. Auf den ersten Blick ein lohnender Kauf – doch was ist Hybrid-Saatgut eigentlich genau?
Der Siegeszug von Hybridsaatgut im Saatgutregal

Beim Hybridsaatgut werden jeweils zwei Pflanzen mit identischen genetischen Eigenschaften im Labor durch Inzucht vermehrt. Die daraus entstandene Inzuchtpflanze wird mit einer zweiten Inzuchtpflanze mit anderen genetischen Eigenschaften gekreuzt. Das Ergebnis ist eine Hybride, die verschiedene gewollte Eigenschaften beider Eltern wie Form, Farbe, Ertrag oder Resistenzen in sich vereint.

Klingt super! Wo ist der Nachteil?

Tragen die F1-Hybriden (F1 = 1. Filialgeneration) Früchte, kannst du sie normal ernten. Wenn du aber Samen für das nächste Jahr gewinnen möchtest, bist du in einer Sackgasse: Die Samen sind schlecht keimfähig und dazu verschwinden die gewünschten Eigenschaften bei den Pflanzen der nächsten zweiten  Generation wieder. Du bist also gezwungen, wieder neues Hybridsaatgut zu kaufen. 

Hybridsaatgut – ein Problem auch für die ökologische Landwirtschaft

Um höhere Erträge zu erwirtschaften und den Ansprüchen der Verbraucher nach perfekten Früchten gerecht zu werden, ist der Einsatz von Hybridsaatgut nicht nur im konvetionellen Landbau, sondern auch bei vielen Bio-Bauern verbreitet. Wohlgeformte, gleichmäßige Früchte – gekauft wird leider auch im Bioladen nach dem Äußeren und nicht nach dem guten Geschmack. Wenn Landwirte die Vorteile der Hybridpflanzen für sich nutzen wollen, geraten sie in eine Abhängigkeit von den Saatgutherstellern, die sich ihr Saatgut sogar patentieren lassen und so sogar die Chance auf eine Monopolstellung haben.

Alte Kultursorten geraten in Vergessenheit

Der großräumige Einsatz von Hybridsaatgut hat noch eine weitere Konsequenz: Die Vielfalt unserer Kultursorten verschwindet und damit auch fruchtbare Saaten, die sich perfekt an unsere Böden und unser Klima angepasst haben. Auch auf unserem Teller wird es eintönig: Gemüse- und Obstsorten in unterschiedlichsten Farben, Formen und Geschmäckern müssen Platz für wenige Sorten des hybriden Einheitsbreis machen. Eine Entwicklung, die auch vor dem Hobbygärtnerbereich nicht Halt macht.

Alternative: Samenfestes Saatgut

Worauf sollten Hobbygärtner beim Kauf von Saatgut achten? Samenfestes Saatgut ist das Zauberwort. Wer Lust am Probieren und Entdecken verschiedener Sorten hat, liegt damit genau richtig. Bei tausenden von Tomaten-, Radieschen- oder Paprikasorten hat man die Qual der Wahl und wird bei der Ernte mit einem vielfältigen Ergebnis belohnt: Formen, Farben und Geschmack verwöhnen Auge und den Gaumen. 

Aus den schönsten geernteten Früchten kann man selbst neues Saatgut gewinnen und die Pflanzen der nächsten Generation adaptieren sich mit der Zeit sogar an die speziellen Bedingen im eigenen Garten. Ganz nebenbei unterstützt man als Hobbygärtner den Erhalt dieser Sorten – ein wichtiger Beitrag für unsere Gesellschaft und Esskultur.

Der Kauf von Saatgut bei auf samenfeste Sorten spezialisierten Anbietern oder der Besuch einer Saatgutbörse (in Nürnberg von Bluepingu e.V. organisiert) sind einfache Auswege aus dem Dilemma der „Einwegpflanzen“.